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mit Prof. Dr. Claudia Wiesemann (Universität Göttingen)
Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen
11.11.2021 (17.15-18.30)
Online (Zoom)
Kinder zu haben und eine Familie zu gründen stellt für viele Menschen einen wesentlichen Aspekt guten Lebens dar. Während die irreversible zeitliche Begrenzung der Fortpflanzung in der Mitte des Lebens zumindest für Frauen über Jahrhunderte hinweg als Selbstverständlichkeit galt, scheint diese Lebensphase mit den Möglichkeiten der modernen Medizin und insbesondere der Fortpflanzungsmedizin zum Objekt von Planung, Steuerung und Optimierung zu werden. Die sprichwörtliche „biologische Uhr“ – so lautet ein Versprechen – könne angehalten, die Fortpflanzung zeitlich dynamisiert werden. Bei den fortpflanzungsmedizinischen Angeboten handelt es sich um ein weites Spektrum von Techniken wie der In-vitro-Fertilisation, insbesondere der Fortpflanzung mit Hilfe von Samen- und Eizellspende, der Kryokonservierung von Gameten, der präkonzeptionellen, präimplantativen und pränatalen Diagnostik, und nicht zuletzt des Schwangerschaftsabbruchs sowie der Schwangerschaftsverhütung. Alle diese Techniken eröffnen die Möglichkeit, in den zeitlichen Ablauf der menschlichen Fortpflanzung und deren Verortung im Lebensverlauf einzugreifen und Fortpflanzung planbarer und steuerbarer, mithin einer zeitlichen Optimierung zugänglich zu machen. Damit einher gehen implizite oder explizite normative, in der medizinethischen Debatte bisher vergleichsweise wenig reflektierte Vorstellungen guten Lebens und angemessener Zeitlichkeit. Im Vortrag sollen Planungs- und Optimierungsanstrengungen und deren Wechselwirkung mit gängigen Vorstellungen guten Lebens eingehender untersucht werden.